Leitgedanken der Inszenierung 2007

von Alfons VELZ

Passionsspiele beziehen sich in der Regel auf die anerkannten Quellen, d.h. auf die auf die vier allgemein bekannten Evangelien, auch wenn es zu den Ereignissen um Leben und Sterben Jesu durchaus noch andere Quellen gibt.

Nun sind aber diese Evangelien keine objektiven Zeugnisse von Geschichtsschreibern, wie man sie heutzutage definiert. Ihre Verfasser haben zwar ältere schriftliche Quellen und auch mündliche Überlieferungen herangezogen, aber sie waren eher an einem Glaubenszeugnis interessiert als an einem „wasserdichten“, historisch zuverlässigen Bericht. Es geht den den Evangelisten in erster Linie um eine Deutung des Todes Christi. Sie fragen nach dem Sinn seines Leidens und geben auf diese Fragen Antworten mit unterschiedlichen Schwerpunkten, je nach der Situation, in der sie oder die junge Christengemeinde sich damals befanden.1

Man kann allerdings behaupten, dass die Evangelisten den Kreuzestod übereinstimmend als Folge seines unüblichen Sprechens über Gott („Vater“), seiner darin enthaltenen Kritik an den damals Mächtigen (vor allem den jüdischen Autoritäten) und seines radikalen Einsatzes für die Benachteiligten betrachten. Und wenn in den Evangelien – vor allem im Johannesevangelium – die „Juden“ für Christi Leiden und Tod verantwortlich gemacht werden, so sind damit nicht alle Juden, sondern die politisch und religiös führenden Kreise im damaligen Jerusalem gemeint, sofern sie an der Verurteilung Jesu beteiligt sind.

Die Schönberger Passionsspiele 2007 haben als wichtigsten Ausgangspunkt das älteste der Evangelien, das Markusevangelium. Eine der drängendsten Fragen zu dieser Zeit war für die jungen Christengemeinden wohl diese: Konnte jemand, der den schändlichen Tod am Kreuz gestorben war, eigentlich der Messias, der von Gott auserwählte Retter sein ?

Für die Juden wohl sicher nicht ! Sie erkannten den Messiasanspruch nicht an. Die Römer verlangen von den Christen absolute Unterwerfung unter die göttliche Macht des römischen Kaisers. Verweigerten sie dies, wurden sie hingerichtet.

In dieser Situation hat Markus sein Evangelium geschrieben.

Für Markus und die junge Christengemeinde war es also wichtig, Jesus als den Messias darzustellen, dessen Weg von Beginn seines Auftretens ihn und alle, die ihm nachfolgen, ans Kreuz führt2.

  1. Der Beschluss, ihn zu töten, steht schon ganz früh fest, nach einer seiner ersten Heilungen (Mk. 3,6: „Da gingen die Pharisäer hinaus und fassten zusammen mit den Anhängern des Herodes den Beschluss, Jesus umzubringen“)

  2. Auch steht von Anfang an fest: Wer Jesus nachfolgt, wird genau wie er sein Kreuz zu tragen haben. Gott wird also dargestellt als einer, der dem Menschen, ja sogar seinem eigenen Sohn das Leid nicht erspart.

  3. Aber Gott lässt den Menschen nicht fallen, sondern erweckt ihn zu neuem Leben (Mk .8,34 f: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten.“)

Wenn Jesus in der Markuspassion angesichts der Verhöhnung durch seine Peiniger und seine Feinde den ersten Satz des Psalms 22 ausruft: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“, so klingt das wie totale Verzweiflung. Jesu Zeitgenossen aber war der Psalm 22 in voller Länge geläufig, und der belässt es nicht bei der Verzweiflung. Er klingt vielmehr hoffnungsvoll aus, selbst angesichts völligen Ausgeliefertseins3

In diesem Rahmen sind auch die Schönberger Passionsspiele von 2007 zu sehen. Wir sehen einen Jesus, der sich seiner Berufung bewusst ist und der seinen Weg tapfer und überzeugt zu Ende geht, bis in den Tod.

Wir sehen auf der modernen Ebene eine Tatjana, die ebenso überzeugt ist von der Richtigkeit ihres Tuns und die am Ende mit der Aussicht "auf einen neuen Himmel..." stirbt.

Beide, Jesus und Tatjana werden Versuchungen ausgesetzt und machen Phasen der Unsicherheit und des inneren Zwiespalts durch.

Der oben erwähnte Dreischritt des Psalms 22 (Verhöhnung – Verzweiflung – Zuversicht) hat mir als Leitfaden bei der Inszenierung der Schlussszenen gedient.


1Ausführliche Erklärungen hierzu in der wichtigsten Quelle zu diesem Essai, der Schrift „Die Passion Jesu“, herausgegeben 2004 vom Katholischen Bibelwerk e.V., ISBN 3-932203-79-8

2Schon der griechische Philosoph Platon weist in seiner „Politeia II“ 400 Jahre vor Christus darauf hin, dass ein Gerechter, der nicht gut scheinen, sondern gut sein will, gegeißelt, gefoltert, gefesselt, geblendet und schließlich gekreuzigt werden wird. Vgl. auch Goethes „Faust“, Szene „Nacht“: Ja, was man so (die Welt) erkennen heißt! Wer darf das Kind beim Namen nennen? Die wenigen, die was davon erkannt, die töricht g'nug ihr volles Herz nicht wahrten, dem Pöbel ihr Gefühl, ihr Schauen offenbarten,hat man von je gekreuzigt und verbrannt.“

3 Psalm 22 (Gesamttext)

"Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen,
bist fern meinen Schreien, den Worten meiner Klage?
Mein Gott, ich rufe bei Tag, doch du gibst keine Antwort;
ich rufe bei Nacht und finde doch keine Ruhe.
Aber du bist heilig,
du thronst über dem Lobpreis Israels.
Dir haben unsre Väter vertraut,
sie haben vertraut, und du hast sie gerettet.
Zu dir riefen sie und wurden befreit,
dir vertrauten sie und wurden nicht zuschanden.
Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch,
der Leute Spott,
vom Volk verachtet.
Alle die mich sehen, verlachen mich,
verziehen die Lippen, schütteln den Kopf:
"Er wälze die Last auf den Herrn,
der soll ihn befreien!
Der reiße ihn heraus,
wenn er an ihm Gefallen hat."
Du bist es, der mich aus dem Schoß meiner Mutter zog,
mich barg an der Brust der Mutter.
Von Geburt an bin ich geworfen auf dich,
vom Mutterleib an bist du mein Gott.
Sei mir nicht fern, denn die Not ist nahe,
und niemand ist da, der hilft.
Viele Stiere umgeben mich,
Büffel von Baschan umringen mich.
Sie sperren gegen mich ihren Rachen auf,
reißende, brüllende Löwen.
Ich bin hingeschüttet wie Wasser,
gelöst haben sich all meine Glieder.
Mein Herz ist in meinem Leib wie Wachs zerflossen.
Meine Kehle ist trocken wie eine Scherbe,
die Zunge klebt mir am Gaumen,
du legst mich in den Staub des Todes.
Viele Hunde umlagern mich,
eine Rotte von Bösen umkreist mich.
Sie durchbohren mir Hände und Füße.
Man kann all meine Knochen zählen;
sie gaffen und weiden sich an mir.
Sie verteilen unter sich meine Kleider
und werfen das Los um mein Gewand.
Du aber Herr, halte dich nicht fern!
Du, meine Stärke, eil mir zu Hilfe!
Entreiße mein Leben dem Schwert,
mein einziges Gut aus der Gewalt der Hunde!
Rette mich vor dem Rachen des Löwen,
vor den Hörnern der Büffel rette mich Armen!
Ich will deinen Namen meinen Brüdern verkünden,
inmitten der Gemeinde dich preisen.
Die ihr den Herrn fürchtet, preist ihn,
ihr alle vom Stamm Jakobs, rühmt ihn;
erschauert alle vor ihm, ihr Nachkommen Israels!
Denn er hat nicht verachtet,
nicht verabscheut das Elend des Armen.
Er verbirgt sein Gesicht nicht vor ihm;
er hat auf sein Schreien gehört.
Deine Treue preise ich in großer Gemeinde;
ich erfülle meine Gelübde vor denen, die Gott fürchten.
Die Armen sollen essen und sich sättigen;
den Herrn sollen preisen, die ihn suchen.
Aufleben soll euer Herz für immer.
Alle Enden der Erde sollen daran denken
und werden umkehren zum Herrn:
Vor ihm werfen sich alle Stämme der Völker nieder.
Denn der Herr regiert als König;
er herrscht über die Völker.
Vor ihm allein sollen niederfallen die Mächtigen der Erde,
vor ihm sich alle niederwerfen, die in der Erde ruhen.
(Meine Seele, sie lebt für ihn; mein Stamm wird ihm dienen.)
Vom Herrn wird man dem künftigen Geschlecht erzählen,
seine Heilstat verkündet man dem kommenden Volk;
denn er hat das Werk getan."

 


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