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Interview mit Alfons Velz, Regisseur der Passionsspiele Schönberg.
1. Sie leiten zum zweiten Mal seit 2003 die Passionsspiele als Regisseur. Was hat Sie dazu bewogen sich auch in diesem Jahr als Regisseur dieser Mammutaufgabe zu stellen?
Alfons Velz: „Wie im Jahr 2003 ist es in erster Linie die Faszination, die seit zwei Jahrtausenden von der Geschichte Jesu ausgeht und die schon vor 20 Jahren in mir erste Pläne zur Gestaltung von Passionsspielen geweckt hat.
Hinzu kommt die brennende Aktualität, welche die Leidensgeschichte Jesu durch das tägliche unschuldige Leiden von Millionen von Menschen heutzutage erfährt.
Und schließlich spielt auch der Umstand mit, dass die ganz besondere Atmosphäre bei der Inszenierung vor vier Jahren einen tiefen Eindruck in mir hinterlassen hat. So konnte ich gar nicht nein sagen, als man mich dieses Mal wieder fragte, ob ich die Spiele 2007 wieder inszenieren wolle.“
2. Woher kam seinerzeit die Idee, Passionsspiele in Schönberg zu inszenieren? Wie kam es dazu, in diesem Jahr die Spiele unter den Leitgedanken, unter das Motto „Der Prozess“ zu stellen?
Alfons Velz: „Den ersten Anstoß gab 1993 der damalige Kaplan Siegfried Bongartz, der auch diesmal wieder den Ausgangstext verfasst hat. Seiner Initiative verdanken die Schönberger Passionsspiele ihre Existenz. Dass sie diesmal unter dem Motto „Der Prozess“ stehen, geht auf ein Gespräch des Passio-Teams mit Professor Karl Gatzweiler im Jahr 2004 zurück, der uns auf diese Fährte gestoßen hat. Auch die Thematik der Bedeutung der Frau im Umfeld und in der Nachfolge Jesu brannte uns auf den Nägeln bei einem ersten Treffen mit Siegfried Bongartz 2005 in Straßburg. Herausgekommen ist ein Kompromiss, wo eine politisch engagierte Frauengruppe heute ein ähnliches Schicksal erleidet wie Jesus und seine Jünger vor zweitausend Jahren.
3. Wie geht man so ein Projekt organisatorisch und inhaltlich an?
Alfons Velz: „Organisatorisch ist dies eine riesige Herausforderung, die nur durch ein gut funktionierendes Team bewältigt werden kann. Das ist in Schönberg vorhanden und es leistet harte und erfolgreiche Arbeit. Inhaltlich wächst solch ein Projekt Stück für Stück über eine Zeit von mehreren Jahren, wobei es immer gilt, die jeweilige Aktualität nicht aus den Augen zu verlieren. Nachdem die großen Leitlinien standen und die erste Textfassung, also sozusagen das Drehbuch von Siegfried Bongartz vorlag, ging es an die Hauptarbeit: das Verschmelzen von Aussage, Text und Spiel, das Anpassen der Ideen an die Realität der Gruppe. In diesem Prozess legen die Spieler/innen selbst stark Hand an, indem sie Texte anpassen, umschreiben oder neu formulieren, d.h. sie mit eigenen Erfahrungen, mit Eigenleben füllen. Da wird dann der Regisseur zu einem Koordinator, der darüber zu wachen hat, dass die großen Leitlinien nicht angetastet werden und dass der Text „bibelfest“ bleibt. Das ist ein äußerst demokratisches, daher zeitaufwändiges und mühsames Vorgehen, aber dafür bereichernd und befriedigend für alle Beteiligten.
4. Was macht das Besondere der Schönberger Passionsspiele im Vergleich zu traditionsreichen Spielorten wie Oberammergau, Thiersee, Erl, usw… aus?
Alfons Velz: „Das Besondere ist eindeutig der Bezug auf die vielen aktuellen Passionsgeschichten der kleinen und großen Welt um uns herum. In Schönberg greifen Bilder aus der Jesusebene und Bilder der Leidensgeschichte von Tatjana, einer jungen Frau von heute, wie Zahnräder ineinander und machen daher auf verblüffende und zugleich beklemmende Art deutlich, dass die Passion Jesu nicht Geschichte, sondern heute täglich gelebte Wirklichkeit ist. Auf die Frage, ob wir wirklich Passionsspiele zeigen oder „nur“ religiöses Theater, möchten wir selbstbewußt antworten: wir zeigen Passion, also Leidensgeschichte von damals und heute, und das ist nicht etwa „nur“ religiöses Theater, sondern selbstverständlich auch gesellschaftskritisches, also politisches Theater.
5. Sind die Passionsspiele an irgendwelche Vorlagen gebunden? Wenn Ja, welche und wer überprüft deren Einhaltung? Gibt es eine theologisch-pädagogische Beratung und worin besteht diese?
Alfons Velz: „Für die „Bibeltreue“ auf der Jesusebene bürgt der Text selbst, der zum großen Teil wörtlich aus den Evangelien stammt. Auf der modernen Ebene fließt sehr viel Lebens- und Glaubenserfahrung der Spieler/innen mit ein. Das wiederum bürgt dafür, dass der Zuschauer seine Standpunkte, Fragen, Zweifel und Überzeugungen im Geschehen auf der Bühne wiederfindet und somit in das Geschehen einbezogen wird. Dem Zuschauer soll Identifikation und Konfrontation ermöglicht werden, und wir erhoffen uns, dass er mit vielen offenen Fragen den Spielort verlässt. An genaue Vorlagen sind die Spiele nicht gebunden, die meisten Fragen und Unsicherheiten werden intern in Gesprächen, Diskussionen und durch Bibelstudium geklärt. Weitere theologische Beratung erfahren wir durch Claude Theiss, den Pfarrer von Schönberg. Außerdem schätzen wir uns glücklich darüber, dass sich unser Bischof Aloys Jousten die Zeit genommen hat, einen Blick in den Text zu werfen und ein Begleitwort zu schreiben.
6. Wie sieht das Budget einer solchen Veranstaltung aus? Wie werden die Passionsspiele finanziert?
Alfons Velz: „Das Budget der Spiele von 2003 hat bei etwa 50.000 Euro gelegen, und auf dieser Ebene werden sie sich sicherlich dieses Mal auch wieder bewegen. Finanziert werden die Spiele ausschließlich durch Eintrittsgelder, andere Einnahme-quellen gibt es nicht. Der größte Financier ist jedoch der ehrenamtliche Einsatz der vierzig Spieler und der mehr als sechzig Helfer sowie der unermüdliche Einsatz des Organisationsteams um Marlene Backes. Wenn diese Leistungen bezahlt werden müssten, wären solche Spiele finanziell nicht auf die Beine zu stellen.
7. Inwieweit beziehen Sie das Publikum konkret in die Passionsspiele mit ein? Gibt es ein bestimmtes Zielpublikum, das Sie erreichen möchten?
Alfons Velz: „Ein spezielles Zielpublikum haben wir nicht. Wir möchten alle ansprechen, Jung und Alt. Voriges Mal haben viele Zuschauer ihre eigene Lebenssituation in der jungen Frau und der Familie auf der modernen Ebene wiedergefunden, diesmal erwarten wir, dass die Auseinandersetzung mit der aktuellen gesellschaftlichen Situation viel Wiedererkennungswert hat und zum Vergleich mit der Jesus-Problematik reizt.“
8. Mel Gibsons eigenwilliges Drama „The Passion" über die letzten Stunden Jesu Christi hat seinerzeit hohe Wellen geschlagen. Worin erkenn Sie die wesentlichen Unterschiede zwischen einem Film, der den Leidensweg Jesu darstellt, und einem Passionsspiel?
Alfons Velz: „Diesen viel geschmähten Film habe ich mir natürlich angesehen, und ich muss sagen, dass ich das negative Urteil vieler Kritiker nicht teile. Zwar war der Film stellenweise amerikanisch-hollywoodmäßig überzogen, ja manchmal fand ich die Grenze zum Kitsch deutlich überschritten. Doch gab es in meinen Augen auch eine ganze Reihe von sehr starken, bewegenden Bildern. Dass im Film ein Großteil der Verantwortung für Jesu Tod neben Pilatus auch den jüdischen Führern zugeschoben wurde, fand ich gerechtfertigt, denn darüber ist sich die Forschung inzwischen einig. Den Film aus diesem Grunde aber als antisemitisch einzustufen, finde ich überzogen, oder ist etwa jemand, der mit der augenblicklichen Politik des amerikanischen Präsidenten nicht einverstanden ist, deshalb schon gleich anti-amerikanisch ? Der Unterschied zwischen einem Film über den Leidensweg Jesu und den Schönberger Spielen liegt einerseits an den unterschiedlichen Möglichkeiten von Film und Theater allgemein, andererseits, wie eben schon erwähnt, an der Schönberger Eigenart, den Prozess der Verurteilung und des Leidens des unschuldigen Christus zu verknüpfen mit aktuellen Bildern unschuldig Verurteilter und Leidender von heute. 9. Mit welchen Erwartungen und Hoffnungen sehen Sie ganz persönlich der vierten Auflage der Passionsspiele entgegen?
Alfons Velz: „Ich hoffe, dass es uns auch diesmal wieder gelingt, Passion Christi aus dem Museumsschrank oder aus dem Chorraum der Kirche auf die Bühne zu holen und für junge und alte Menschen unserer Zeit erfahrbar zu machen. Das kann glücken, wenn es uns gelingt, die Menschen, die Konflikte und die Widerstände der beiden Ebenen glaubhaft zu verkörpern. Ich wünsche den Zuschauern, dass die bedrängende Aktualität des Leidens Christi sie öffne für die Bedrängten und Leidenden unserer Tage, und der Gruppe wünsche ich ein ebenso tiefes und bereicherndes Erlebnis wie vor vier Jahren.“
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